Christoph Sanders, Thalheim
Sonniger Tag, nach dem Mittag ein Wärmeschub. Ich sah zum Hahn hinauf, der aber bei Nordost verharrte. Innenlager von zwei Rädern umgebaut. Einen gestern aufgegriffenen Holzstuhl gewaschen und geschmirgelt. Ein gewöhnliches Modell mit sanft geschwungenen Beinen, drei senkrechten Streben an der Lehne, klassisch verleimt. Wunderbar, sich durch Lackschichten und Altersringe zu arbeiten. Ganz behutsam. Das Holz duftet nach Schwamm und Schmirgel und trocknet in der Sonne durch. Morgen kommt eine dünne Schicht weißer Lack drauf. Deutsche Gebrauchsmöbel, circa achtzig bis hundert Jahre alt. Darauf hoffen, dass eine neue Generation sich dafür interessiert.

18h35 mit dem Doppelglas einen Abschiedsgruß an Merkur. Dieser fast am gleichen Ort – die Überrschung stand in der Nähe des Zenits Südsüdost: ein weiterer Planet. Für Sterne ist es noch zu hell. Mars über dem Turmhahn, Jupiter links neben dem spitzen Dach. Mars im Vergleich deutlich kleiner und eindeutig orange – also Neptun oder Saturn.
Kokoschka wieder sehr gut, wenn er schildert, wie er sich täglich in Brennnesseln wälzt, um sein Rheuma loszuwerden, wie er eine Art schlaue Beziehung zu den Modellen herstellt. Coole Masaryk- und Pragbeschreibung. Ihm und seiner Frau Olda ist klar, dass sie, als sie 1938 ins Flugzeug nach London steigen, gerade das kosmopolitische Prag und alte Europa untergehen sehen. Seherische Sätze, wenn er die Technostruktur als das größte Problem der Gegenwart sieht: der Mensch unterwirft sich ihr, eine Erziehung findet immer mehr zur Verwertbarkeit und nicht zur Mündigkeit hin statt, ja, der Mensch traut der Maschine mehr zu als sich selbst und gibt damit seine Würde aus der Hand.

Riccardo Muti mit Schuberts Dritter und Füfter. So angenehm und schön und völlig ohne Prätention. Dieses weiche Schwingen der Wiener Philharmoniker 1989 …
