Frank Schott, Leipzig

Im Pleißemühlgraben, einem künstlich angelegten Nebenarm der Pleiße, der bereits seit dem 10. Jahrhundert durch die Leipziger Innenstadt fließt, ruht unter einer Art schwimmenden Pergola ein Stockentenpärchen. Womit sich die folgenden Fragen stellen: Wer hat da eigentlich die Zweige verflochten? Wer baut so eine Insel? Gibt es in unserem städtischen Gewässeramt gar eine Arbeitsgruppe Wasservogelpergolabau?
In den Jahren nach der DDR-Gründung hatten die industrieellen Abwässer aus den Braunkohletagebauen den Mühlgraben in eine stinkende Kloake verwandelt. Und was machen die Mächtigen, wenn sie ein Problem nicht lösen können oder wollen? Sie decken es zu. Also wurde das Flüsschen ab 1953 überwölbt und geriet so zunächst aus dem Blickfeld und später auch dem Bewusstsein der Einwohner. Erst die Stilllegung ganzer Industriezweige und die härteren Umweltschutzbestimmungen nach der Wende gaben dem Wasser eine annehmbare Qualität ohne stinkende Schaumkronen zurück.
Als in dem Abschnitt, wo heute das Entenpaar sitzt, im Frühjahr 1997 der erste Spatenstich erfolgte, um den Graben wieder freizulegen, war ich als freier Radioredakteur vor Ort. Der Bürgermeister sprach. Eine Kapelle spielte. Es war ein kurzer, großer Moment, denn zu diesem Zeitpunkt war das Gewässer beinahe 50 Jahre lang aus dem Stadtbild verschwunden, was sich nun ändern sollte.
Die Freilegung ist noch nicht abgeschlossen – aus städtebaulichen und finanziellen Gründen verläuft der Graben nicht immer exakt in seinem alten Bett. Zudem wurde die anfängliche Idee, ihn schiffbar zu machen, fallengelassen, denn dazu hätten mehrere Brücken um- bzw. neugebaut werden müssen. Und so ist er an einigen Stellen nach wie vor in die alten unterirdischen Gewölbe eingezwängt.
Nun, das Entenpärchen stört es nicht – kann es nicht unter den Straßen hindurchschwimmen, kann es immer noch drüber weg fliegen. Oder bleibt einfach liegen und lässt sich von der Sonne wärmen, die mittags direkt auf die Flechtpergola scheint.
