Helko Reschitzki, Moabit

Am Samstagnachmittag habe ich im Monbijoupark das Gefühl, mich in der Interzone zwischen Winter und Frühling zu befinden: in den Mauerschatten das Restschneereich, umgeben von Pfützen und Modder, Leute mit Wollmütze und Mantel neben Piepeln in T-Shirts, Sonnensucher, erste Balz – beim Vogeltanz bin ich die Nummer ans.

Die drei neuen Ausstellungen in den Kunst-Werken Berlin lohnend: Matt Copson mit Age of Coming, einer Art elektronischer Laser-Oper über die ersten beiden neuen Wesen auf einem zuvor zerstörten Planeten irgendwie anrührend und formal dermaßen retro, dass es fast schon futuristisch wirkt. I lost my mother to the fire / I went to work as town crier / Strange situation / Earthly castration. Musik: Caroline Polaschek, Gesang: Kiran Subramanian und Simeon Wren.

Sung Tieus Auseinandersetzungen mit unserem gesellschaftlichen Verhalten gegenüber Fremden erhellend, gerade, was die nicht unüblichen Bevormundungen im Kunstbetrieb angeht, wo ja eher über eine (vermeintliche) Gruppe oder Community „gearbeitet“ wird, statt die Einzelnen selbst zu Wort kommen zu lassen. Die Techniken, mit denen sogenannte Vertragsarbeiter aus Vietnam Westzigaretten in die DDR schmuggelten, ganz alte Agenten-Schule, also klasse.

Bei der dritten Schau, Miloš Trakilović‘ Musik- und Video-Installation Not a Love Song, kam mir zugute, dass ich vorher nie etwas zu Werk und Künstler lese. Und so saß ich dann unbefangen im Flimmern der Bildschirme und ließ Bilder und Klänge in mich strömen … Es bilden sich Verknüpfungen mit den frühen Sonic Youth („Protect me you“), Tricky („Piano“) oder DJ Spooky with The Freight Elevator Quartet: Schleppende Beats, Keyboarddrones, kurz angeschlagene Gitarren … Industriebrachen … Fabrikhallen … Beton Beton … Manchester … Lubljana … Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Sounds von einer KI-Anwendung generiert waren. Die hatte Trakilović mit 564 Songs gefüttert, die in den vier Jahren vor Beginn des Bosnienkriegs (1994) in den Ländern der späteren Feinde veröffentlicht wurden. Das Programm erkannte Tonalitätsmuster, machte daraus Files und ließ mit einem zweiten Tool aus dieser Datenbank die Musik für die Ausstellung kreieren. Die Videos wurden von der KI sogar in Echtzeit erstellt und dann live gestreamt. Aus der Mensch-Maschine wird nun so langsam die Maschinen-Maschine. Und wir alle sind dabei. (?!)
