Christoph Sanders, Thalheim
Ein eisiger Wind, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Der Winter ist zäher als wir denken – aber die Kraniche sind zäher! Heute nur drei kernige Stunden auf der roten Maschine – der Flachland-200er um Maastricht will vorbereitet sein. In den Dörfern war die zunehmend um sich greifende Unsicherheit zu verspüren: Nicht selten stehen in den Hinterhöfen rüstige Verbrenner, die als Reserve gekauft wurden. Es bröckelt weiter im Hinterland.

Beim Fahren überlegte ich, was die momentanen Retro-Utopien so stark macht, dieses Heimatding im biederdumpfesten Sinne. Es ist wohl zum Teil die komplette Überforderung mit der schieren Masse an Informationen, die auf uns niedergeht. In Echtzeit! Diese völlige Transparenz von allem. Dafür ist unser Steinzeithirn nicht gerüstet. Um irgendwie davonzukommen, sucht es dann permanent Bullshit zur Ablenkung, geht ins Ungefähre und Spekulative – das Netz als Förderer obskurantistischer Strömungen! Weil es eben einfacher ist, simplen Wahrheiten zu glauben oder sich an Disneys Aschenbrödel festzuhalten. Da empfiehlt sich dann Nachrichtenfasten – und das Einordnen der Gegenwartsparaden: Ich kann mich noch gut an die Zeiten erinnern, in denen Aldi nicht einmal frische Milch angeboten hat, als Zartbitterschokolade äußerst selten und mit maximal 54% Kakaoanteil zu haben war … und … und … und …

Nach heißem Bad nun in Wandersocken über der Trainingshose die Fortsetzung der Musikstunde. Der Schwede Herbert Blomstedt mit der Staatskapelle Dresden, Bruckners 4., eine Weltklasseaufnahme von Eterna. Man stelle sich bitte vor: Eine Mittelalterliche Stadt in der Morgendämmerung – von den Türmen ertönen Weckrufe – die Tore öffnen sich – auf stolzen Rossen sprengen Ritter hinaus ins Freie – der Zauber umfängt sie – Waldesrauschen, Vogelgesang …
