Walter Kintzel, Parchim
Wie unser Wald entstand

Die einheimische Landschaft, wie wir sie heute kennen, ist innerhalb mehrerer Jahrtausende entstanden. Geologische Vorgänge, Klima, Pflanzen, Tiere sowie der Mensch wirkten daran mit; kontinuierlich gab es Veränderungen. Die Bedeutung der einzelnen Faktoren wandelte sich dabei im Lauf der Zeit.
Ein markantes Ereignis waren die Eiszeiten. Der Rückgang der Temperatur in jeder dieser Perioden bedingten, dass die Gletscher wuchsen, weil sich in jedem Jahr mehr Eis bildete als taute. Die vorher im Tertiär (Ende der Kreidezeit vor circa 65 Millionen Jahren bis Beginn des Quartärs vor circa 2,6 Milionen Jahren) entstandenen Mischwälder wurden im Gebiet nördlich der Alpen durch das Eis vernichtet. Von der üppigen Tertiärvegetation hielten sich nur am Mittelmeer kleine versprengte Relikte. Als es nach der letzten Eiszeit wieder wärmer wurde und das Eis, das sich vor etwa 18.000 Jahren gebildet hatte, zurückwich, konnten sich Wärme liebende Pflanzen und Tiere von diesen Reliktstandorten nach Norden ausbreiten.
Unser Gebiet verdankt folglich sein Gepräge den Gletschern. Als die Eismassen abtauten, gaben sie Findlinge, Steine, Geschiebemergel, Ton und Sand frei – all das ist ein „Geschenk“ der Eiszeiten. An der Vorderseite der Gletscher (Inlandeis) wurde das grobe Material abgelagert, daraus entstanden Hauptendmoränen, also Hügelketten. Der leichtere und feinere Sand wurde durch die Wassermassen (Gletschermilch) weiter weggetragen, dieses Gebiet geriet zum wenig fruchtbaren Sandergebiet.
Nun begann die Bodenbildung aus Steinen, Geschiebemergel, Sand und Ton. Durch physikalische und chemische Verwitterung und den Einfluss von Bakterien entstand aus den Ausgangsmaterialien der Boden (auch Erde oder Erdreich genannt) als oberste und belebte Schicht der Erdkruste. Später wirkten die angesiedelten Pflanzen (abgestorbene Pflanzenteile) und Tiere (Ausscheidungen der Tiere, abgestorbene Tiere) mit. Bodenbildende Faktoren haben zweierlei Effekte: Sie verändern ein Ausgangsgestein und wandeln es in Boden um, aber sie verändern auch einen bestehenden Boden (wie zum Beispiel durch die Tätigkeit der Regenwürmer).
Zunächst wanderten niedere Pflanzen wie Moose und Flechten ein, gefolgt von krautigen Pflanzen und Zwergsträuchern. Aus dieser offenen Landschaft mit Tundren- und Steppenvegetation wurde allmählich eine Waldlandschaft. Das und auch die folgenden Phasen der Waldentwicklung können wir sehr gut durch die Pollenanalyse beweisen. Als Begründer dieser Methode gilt der Geologe Lennart von Post, ein Schwede, der 1916 dazu erste Forschungsergebnisse veröffentlichte. Die Pollenanalyse untersucht den Blütenstaub. In den Körnern der Pollen befinden sich die männlichen Keimzellen der Pflanzen. Da die Außenhülle als Schutz gegenüber chemischen und mechanischen Faktoren wirkt, bleibt der Pollen bei weitgehender Abwesenheit von Luftsauerstoff (wie beispielsweise in Mooren) erhalten. Aus dem unterschiedlichen Massenvorkommen einzelner Pollenarten sind uns daher Schlussfolgerungen möglich.

Die Wiedereinwanderung der Birken und Kiefern erfolgte aus den Rückzugsräumen des Mittelmeergebiets über die Burgundische Pforte westlich der Alpen, sowie östlich um die Alpen herum. Samen und Früchte wurden durch den Wind, Säugetiere (Anhaften im Fell) und Vögel (Transport im Magen, Kotausscheidung) verstreut. Noch heute spricht der Forstmann bei der Eiche von einer „Hähersaat“, also der Verbreitung durch den Eichelhäher. Dass die Alpen die Wiedereinwanderung erheblich behinderten, führte dazu, dass viele, vor den Eiszeiten in Deutschland vorkommende Arten, nicht aufs Neue heimisch werden konnten, zum Beispiel Magnolie, Esskastanie und Mammutbaum.
Dominierten am Anfang Birken und Kiefern, so kam es bald zu einer starken Zunahme der Hasel, sie breitete sich in den sehr lichten Kiefernwäldern im Unterwuchs immer mehr aus („Haselzeit“). Die aktuelle Annahme ist, dass der Steinzeitmensch die Ausbreitung stark gefördert hatte, indem er die Hasel gezielt anpflanzte oder Lager von Haselnüssen anlegte (auch bekannt bei Eichhörnchen). Neben der Haselnuss kamen mit der Ulme, der Eiche und der Linde drei wärmeliebendere Baumarten auf. Durch fortschreitende Boden- und Humusentwicklung rückten die Eichenwaldgesellschaften mit ihren charakteristischen Mischbaumarten wie Ulme, Hainbuche, Linde, Esche, Ahorn vor. Zusätzlich kamen Buchen, Fichten und Tannen. Tanne und Fichte bleiben unter natürlichen Bedingungen auf die Südhälfte Deutschland (Hochlagen) beschränkt.
Bis vor circa 4500 Jahren waren in unseren Breiten die Eichen die häufigste Baumart. Dann änderte sich das Klima – die niedrigeren Temperaturen und höheren Niederschläge kamen der Buche zugute. Seit etwa 800 v. Chr. spricht man deshalb von der „Buchenzeit“ in Mitteleuropa. Heute ist die Buche mit einem Anteil von knapp 20% an der Waldfläche der Bundesrepublik Deutschland nicht nur die wichtigste Laubholzart, sondern auch eines unserer bedeutendsten Nutzhölzer. Kein Wunder, dass man sie deshalb auch die „Königin der Laubbäume“ nennt. Die Dominanz der Buche ist wahrscheinlich stark durch die menschliche Tätigkeit bedingt. Man ist heute der Ansicht, dass Ackerflächen auf ehemaligen Lindenwäldern errichtet wurden, weil diese leichter zu fällen war und die Linde auf besseren Böden als die Eiche wächst. Die Buche siedelte sich dann später auf den aufgegebenen Ackerflächen an, weil sie von sich aus eine große Konkurrenzstärke besitzt.
Dies ist das zweite Beispiel, dass der Mensch die Zusammensetzung der Baumarten des entstandenen Waldes beeinflusst hat. In neuerer Zeit kommen aufgrund von massiven Aufforstungen die Fichte und die Kiefer auch in natürlichen Buchen- oder Eichenstandorten zum Einsatz. In Abhängigkeit von der Nutzung durch den Menschen hat sich der Wald verändert.

Die Nutzung durch den Menschen hat auch negative Auswirkungen hervorgerufen. Die Folge war eine Übernutzung und teilweise Devastierung (Entwertung/Zerstörung) der vorhandenen Wälder. Um Abhilfe zu schaffen, wurde eine geregelte Forstwirtschaft entwickelt. Ziel war es, eine nachhaltige und vorratspflegliche Waldnutzung zu entwickeln. Die organisierte Forstverwaltung begann im Herzogtum Mecklenburg-Schwerin mit dem Datum des 29. April 1706, als die „forst- und Holtz-, auch Jagd- und Wild-Ordnung“ erlassen wurde.
Die zugrundeliegende sowie weiterführende Literatur und andere Quellen können gern beim Autor angefragt werden. (botaniktrommel@posteo.de)
