Frank Schott, Leipzig
Eigentlich wollte ich heute gar nicht laufen. Ich bin gestern 8,3 km gejoggt und hatte mich ziemlich gequält. Vielleicht fehlte etwas die Kraft, weil ich tags zuvor Blutspenden war. Mein Plan war, einen Tag zu pausieren und dann eine größere Runde von vielleicht 13 km zu drehen. Dass ich doch lief, lag an der Linsensuppe. Die hatte ich gekocht -Berglinsen, Kartoffeln, Suppengemüse. Würzen, süß sauer abschmecken; nach 45 Minuten war alles fertig. Fürs Essen war es noch zu früh, außerdem sollte die Suppe ziehen. Also entschied ich mich kurzfristig, doch zu zu meinem früheren Traineroutfit zu greifen und mich auf die kleine Runde zu machen. Ich erwärmte mich kurz und rannte los.
Zunächst wehte mir noch der Ausläufer eines Atlantiksturms entgegen, aber der Wind legte sich recht bald und die Sonne kam heraus. Ich überholte einige Jogger, zog bei einem Marathonläufer, der mit großen schnellen Schritten an mir vorbeirannte, aber den Kürzeren.
Meine Strecke führte mich durch den nördlichen Teil des Leipziger Auwalds, der insgesamt 2500 Hektar groß ist und mitten in der Stadt liegt. Im Lauf der Jahrtausende immer wieder von den Hochwassern der Weißen Elster, Pleiße und Luppe überschwemmt, seit dem 12. Jahrhundert durch menschliche Eingriffe verändert, umgeformt und auf unterschiedliche Art und Weise bewirtschaftet. Trotz der im 19. Jahrhundert infolge der Industrialisierung rasanten Vergrößerung der Stadt wurde die Fläche dann weitesgehend in Ruhe gelassen und ist heute vor allem ein Hartholzauenwald mit Ahormbäumen, Eschen und Eichen. Es gibt hier viele Wildtiere, unter anderem Rehe, Wildschweine, Waschbären, Füchse, Wildkatzen und Eichhörnchen, wobei mein Eindruck ist, dass die Eichörnchenpopulation sehr unter den Waschbären gelitten hat – man sieht deutlich weniger als noch vor zehn Jahren.
All diese Tiere kreuzten heute allerdings nicht meinen Weg, dafür aber zwei B- oder A-Jugendfußballmannschaften, die sich auf dem Kunstrasen des SV Schleußig warmzumachen begannen. Deutlich jüngere Jungs (vermutlich C-Jugend) verließen das Gelände. Ein Trainer, der den Ballsack schleppte, schimpfte: „Haut Ihr jetzt alle einfach ab?“ Tja, das Gefühl kenne ich noch.
Ich überholte ein paar Jungs vom SV Grimma, die mich – vermutlich, weil ich wie ein joggender Trainer aussah – mit einem freundlichen „Moin“ grüßten. Ich grüßte zurück und joggte rückwärts neben ihnen her. „Wie habt ihr gespielt?“ – „Verloren“, sagte der größte der Jungs. „Deutlich“, ergänzte ein anderer. Dann fragte der Große: „Wie viele Kilometer läufst Du noch?“ – „Acht insgesamt“, rief ich, dreht mich um und lief vorwärts weiter.
Mir wurde bewusst, dass ich ja eigentlich nur eine kleine Runde laufen wollte, aber den Kids irgendwie gerade 8 km versprochen hatte. Da mein Trainercredo war, im Fitnessbereich nichts von den Jungs zu verlangen, was ich nicht selbst mache, lief ich dann am Ende doch die gleiche Strecke wie gestern. Die Sonne schien, ich war ausgeruht und am Ende absolvierte ich die 8,3 km sogar drei Minuten schneller als am Vortag. Durchschnittsgeschwindigkeit 11,3 km/h – ganz ordentlich für mein Alter.
Und zurück zuhause, genoss ich dann zwei große Schüsseln voll mit Linsensuppe. Die hatte ich mir verdient. Neben mir schnurrten die beiden Hauskatzen – inzwischen sehr weit entfernte Verwandte der Wildkatzen aus dem Auwald.

