Christoph Sanders, Thalheim
Am Mittwoch mit Günter Schickert durch den Sonnenaufgang. Mitten auf unserem Rasen halten die Elstern eine Art Konferenz ab. Eine fliegt davon, die anderen zerstieben in die umliegenden Bäume. Wirkt unfriedlich. Ein Tag im Auto. Man erwartet mich. Beschissen.

Der Donnerstagmorgen nicht wirklich kalt und die Sonne kommt durch – das ist schon mal gut. Mit dem Wagen Pakete verbringen, nach Sperrgut umsehen und Schallplatten abholen. LPs aus den sechzigern und siebzigern zum Preis einer Tafel Schokolade – unter anderem ein makelloser Querschnitt des jungen Paco de Lucia und grandios klingende Chopin-Aufnahmen mit Claudio Arrau auf Philips.

In der Möbelhalle der Limburger Nothilfe noch einmal den kleinen Schreibtisch für unsere Älteste begutachtet. Als ich an der Kasse für die Anzahlung meinen Namen und die Adresse angebe, meint der Verkäufer: „Sind Sie nicht der Lehrer, der kein Handy hat und überall mit dem Rad hinfährt?“ Ich antworte nur höflich, dass ich kein Lehrer sei. Den Tisch bringen wir dann Mitte Dezember nach Spandau – 1.40 Meter breit, massive Fichte, sackschwer. Die Glasfasertrupps gießen unermüdlich weitere Flicken in den kommunalen Asphalt. Ich werde den Verdacht nicht los, dass es massive Kickbacks seitens der Provider gegeben hat – wen stört da ein zerstörter Bürgersteig …

Die Jüngste noch krank, dutzendweise wandern ihre Taschentücher in den Ofen. Sie schont sich, macht ein 1000er-Puzzle, liest Judith Kerrs „Warten bis der Frieden kommt“. Ich muss an einen DLF-Bericht denken, in dem eine Palästinenserfamilie vorgestellt wurde, die es in die ägyptischen Notunterkünfte geschafft hat. Eines der Kinder ist verhungert; das andere mit Shell Shock wird wohl sein Leben lang Gespenster sehen. Wie gut wir es hier dagegen haben!

In der Küche steht eine dreißig Zentimeter hohe Kerze – das Fest der Liebe naht. Die ersten Kekse sind gelungen, weitere werden folgen. Pünktlich zur Zuckerzeit stellt die Presse fest, dass Schokolade jetzt mehr kostet und dieses nicht mit den Kakaokursen zusammenpasst. Wenn Drogen teurer werden, hat das ja auch nicht unbedingt mit den Herstellungskosten zu tun. Gute Radrunde, doch beim rappelvollen Metzger wurden meine Einkaufspläne über den Haufen geworfen. „Und ich hatte gehofft, das Geld für die Rentner sei noch nicht überwiesen!!!“, rief ich in den Laden. Das Straßenbild verstärkte den Eindruck – bereits um die Mittagszeit drängelten überall Fahrzeuge.

Mit einem Tipp aus Elfie Castys „Mit einer Prise Leidenschaft“ mein übliches Rezept für gedünstete grüne Bohnen verbessert. Es ist wichtig, immer frischen Knoblauch vorrätig zu haben, vor allem da es diesen nun günstig und in Bio-Qualität gibt. Schon eine halbe Zehe mitzudünsten, ergibt eine neue Geschmacksnote. Zum Abend Feldsalat mit FRANZÖSISCHEN Walnüssen! Meist bekommt man nur die aus Chile oder China – das sind so Dinge, die ich boykottiere.

Nabokov ist jetzt im Grand Hotel in Montreux, dem wärnsten Ort der Schweizer Riviera. Sechs internationale Zeitungen am Kiosk, auf den Bergen diese spezielle, vom Lepidopterologen bevorzugte Fauna. Weitere Schmetterlingsarten und -unterarten finden – eine schier unendliche Jagd. In Nizza, Genua und in Schiffskabinen entsteht „Pale fire“. Nabokov montiert bruchstückhaft Landschaften in die Erzählung – eine kaleidoskopische Methode, mit der er im Grunde völlig disparate Orte und Zeiten kombiniert. So wie es die Maler im 16. Jarhundert machten, die von ihren Italienreisen heimkehrten und die Landschaften des Südens in den flandrischen Schnee tauchten.
