Helko Reschitzki, Moabit
Ich bin heute Nachmittag meiner Botaniktrommel-Chronistenpflicht nachgekommen und habe in der Sammlung Scharf-Gerstenberg die Ausstellung BÖSE BLUMEN angeschaut, laut Eigenwerbung „ein Streifzug durch die Kunst der beginnenden Moderne bis hin zu zeitgenössischen Werken, um die Ästhetik Baudelaires in ihren verschiedenen Aspekten zu beleuchten“.
Von der nachgesagten Sprengkraft seines Gedichtbandes „Les Fleurs du Mal“ (Erstfassung 1857) ist nichts auf die Kunstwerke übergegangen, es war so, als ob man nacheinander dreißig sehr langsam sprechenden Menschen zuhören würde, die umständlich ihren jeweils letzten Traum nacherzählen – so etwas muss man wirklich mögen (oder dafür bezahlt werden).
Zwei der Bilder aber gefielen mir: Alexander Kanoldts „Porträt der Tochter Angelina“ aus dem Jahr 1935 sowie das Urlaubsfoto einer gewissen Frau von Schuler, die mit Sonnenbrille und in einem hübschen mintgrünen Kleid 1969 in Karthago vor riesigen Kakteen posiert – es ist das Nicht-Kunstvolle, das da den Reiz ausmacht, das, was all den ebenso ausgestellten Surrealisten wie Magritte oder dem Biedermeiermaler Spitzweg logischerweise abgeht. Insgesamt war das Gesehene meiner Meinung nach also eher fad, selbst nur leicht Irritierendes (respektive „Böses“) fehlte völlig, es sei denn, Blüten, die wie eine Vulva aussehen, bringen einen ins innere Trudeln. Einen tiefer gehenden Baudelaire-Bezug konnte ich nicht erkennen.
Was mich bei diesem Ausflug nach Charlottenburg dann wirklich berührte, war der unfassbar traurige Anblick des schneevereisten, menschenleeren Kunstrasenplatzes in der Fritschestraße, nicht einmal Vögel waren zu sehen oder zu hören. Trostlos pfiff der Wind durchs netzlose Tor. Trüber als Nacht will uns der Tag erscheinen.

