Frank Schott, Leipzig

Der Freitag ist wieder einer dieser Oktobertage, die sich auch im April nicht verstecken müssten. Alles ist dabei – Sonne, Wolken, Regenschauer. Erst böiger, kalter Wind, dann kaum noch ein Lüftchen, das die Blätter verwirbeln würde. Ein Wetter für wattierte Jacken und Westen über dem Pulli. Der Herbst ist überall: Geschäfte werben mit Halloween-Firlefanz um Kunden, Gemüsehändler preisen ihre Kürbisse an. Im parkähnlichen Abschnitt meiner Laufstrecke waren die ganze Woche Fahrzeuge des Grünflächenamtes im Einsatz. Niedrig hängende oder als wenig belastbar eingeschätzte Äste wurden abgesägt und noch vor Ort von einem Mitarbeiter zu Spänen verarbeitet. Das Geräusch der Häcksler und Motorsägen übertönten das Rauschen der Blätter und das Zwitschern der Vögel.

Nach vier Wochen verordneter Zurückstellung versuche ich es erneut mit dem Blutspenden. Es ist das alte Lied: Beim Eisenwert steht es auf der Kippe. Die ersten drei Messergebnisse sind etwas zu niedrig. Der Anamnesearzt will schon abbrechen, als ich ihn zu einem letzten, vierten Test überrede. Und siehe da – grünes Licht: Eine Spende ist möglich. Das Phänomen hatte ich bei mir schon einige Male beobachtet. Während die ersten Bluttropfen einen zu niedrigen Eisenwert aufwiesen, bessert sich das bei wiederholten Messungen. Der Arzt räumt ein, dass es auch am Messgerät liegen könne. Sie würden im nächsten Jahr ein anderes Gerät bekommen, das genauer messen solle.
Nach den Spenden fühle ich mich neuerdings schwindelig und schlapp. Der älter werdende Körper steckt den Verlust des halben Liters möglicherweise schlechter weg. Früher gab es die Regel, dass man nur bis zum Alter von 60 Jahren Blutspender sein dürfe. Das wurde gekippt. „Sie können jetzt solange Blut spenden, wie Sie sich gut fühlen“, erläutert die Schwester am Tresen. Nun, es fühlt sich allmählich nicht mehr so gut an. Auch kostet es mich mehr Disziplin und Anstrengung als früher, den Eisenwert auf die gewünschte Höhe zu bringen. Möglicherweise erledigt sich das Thema daher bald von selbst – und vielleicht übernehmen ja meine Kinder den Staffelstab.

Am Nachmittag schleiche ich noch durch unsere Einkaufs- und Restaurantmeile – das tut dem Kreislauf gut, ist aber keine größere körperliche Anstrengung, die man nach einer Blutspende vermeiden sollte. Nach dem Regen und der Kälte stehen die Wirte jetzt vor der nächsten Mühsal – weil die Straße inzwischen einen Alleecharakter bekommen hat, liegen nach jedem Windstoß große Mengen Laub auf den Tischen, Bänken und Jalousien. Trotz der bunten Blätter wirkt die Straße grau und öde. Die Freisitze bleiben zunehmend leer.

Am Samstag wage ich einen kurzen Lauf. Ich bin definitiv nicht in Form. Ich habe überhaupt keine Kraft in den Beinen, die Fußsohlen schmerzen – doch ich will, ich muss mich etwas bewegen. Es ist deutlich kälter als in den Tagen zuvor, selbst kurz vor dem Mittag sind es nicht mehr als 6 Grad. Dafür entschädigen ein strahlend blauer Himmel und das leuchtende Gelb der Laubbäume.

Vom Fahrrad aus brüllt ein Trainer seine Kanuten an, die sich über das mit Laub bedeckte Wasser schieben. Auf dem Fußballplatz des SV Schleußig haben die Kinder der Heimmannschaft einen Kreis gebildet und schwören sich mit den Armen auf den Schultern der Nebenleute auf das Spiel ein. Menschen joggen in allen Richtungen durch den Wald, wobei sie, genau wie ich, auf die befestigten Strecken ausweichen. Die Waldwege sind durch die aufgestaute Nässe schmierig und weich – zu unangenehm zum Laufen.
Aber das Licht! Das Licht und die Farben waren es wert.
