Frank Schott, Leipzig

Wettermäßig war alles dabei diese Woche. Am Donnerstag ist es empfindlich kalt, maximal 4 Grad am Morgen. Der Nebel klebt über dem Fluss und lässt die Ruderer sowie die Geräusche im weichen Nichts verschwinden. Ich laufe nur eine kleine Runde, weil ich noch meine Frau zum Bahnhof bringen will. Der Kälte geschuldet bin ich erstmalig mit Handschuhen und Schlauchschal unterwegs.

Am Freitag, dem Tag der deutschen Einheit, liegt die Stadt in der strahlenden Herbstsonne. Die Bäume und die Gründerzeitbauten leuchten vor einem tiefblauen Himmel. Einige Menschen sonnen sich auf der Wiese, die meisten sind unterwegs zum Herbstmarkt. Da die Geschäfte feiertagsbedingt geschlossen sind und das Wetter zum Schlendern einlädt, machen die Wirte und Händler ein gutes Geschäft. Eine Combo in sächsischer Tracht spielt volkstümliche Weisen, so dass ein wenig Oktoberfeststimmung aufkommt.

In einer Nebenstraße dann das Kontrastprogramm: Vor einem DDR-Neubau sind alte WC-Becken aufgereiht. Die meisten gehen vorbei, ohne den Unrat zu bemerken. Vielleicht gehört es ja inzwischen zur Großstadtfolklore, dass Gerümpel und Abfall aus Bequemlichkeit einfach auf die Straße geworfen und öffentliche Sitzgelegenheiten sowie Haltestellen mutwillig beschädigt werden. „Deutschland wird sich verändern, und ich freue mich darauf“, hatte eine Politikerin vor zehn Jahren gesagt. Sie bezog sich auf die Zuwanderung, aber ich finde, ihr Satz passt auch gut zur allgemeinen Verwahrlosung und Verantwortungslosigkeit, die sich seither im Land ausgebreitet hat.

Am Samstag wieder ein anderes Wetter-Extrem: Viel Wind, viele Schauer. Ich passe um die Mittagsstunde eine Regenpause ab, um zu laufen. Es sind nur wenige Menschen unterwegs. An einer Sportanlage heult eine Sirene. Feuer scheint nicht der Auslöser zu sein – vielleicht ein Einbruchsversuch oder eine Fehlfunktion der Alarmanlage. Fast fünf Minuten jault es laut durch den Wald, dann verstummt das Geräusch, und das Rauschen der Baumwipfel dominiert wieder. Ich fühle mich richtig gut – es läuft sich quasi von alleine. Ich spule meine 8,5 Kilometer routiniert und kraftvoll in 44:22 min ab – neue persönliche Bestzeit.

Abends mache ich in einer zweiten regefreien Stunde einen Spaziergang. Die Arbeiten im Schienenbett der Straßenbahn sind fast abgeschlossen. Die Bahnen fahren wieder, aber die Straße selbst ist noch gesperrt. Die Zwischenräume der Schienen und Randsäume sind mit Gras bepflanzt worden. Das soll das Stadtklima verbessern. Auch hier eine Form der Verwahrlosung: Viele Leipziger latschen einfach quer über den Rasen, statt die vielen, teilweise sogar zusätzlich eingerichteten Übergänge zu nutzen.

Das Licht der Leuchtreklame spiegelt sich in den Pfützen auf den Gehwegen. Die meisten Freisitze bleiben heute leer, auch wenn einige Wirte optimistisch das Wasser von den Tischen und Bänken wischen. Nur wer eine Überdachung und seitlichen Regenschutz hat, bekommt tatsächlich Gäste vor die Tür. Die kauern sich in Decken gemummelt an den Heizpilzen – durch die feuchte Luft fühlt sich der Aufenthalt im Freien deutlich kühler an, als man es für Anfang Oktober erwarten würde. Am Sonntag soll der Wind nachlassen, aber zum Nachmittag wird es wohl wieder regnen.
