Frank Schott, Leipzig

Herbst. Gestern noch sonnig und warm, heute trübe und empfindlich kalt. Die ersten Bäume beglückten uns mit einer Farbexplosion. Wer zuerst färbt, fällt auf, doch verliert auch zuerst die Blätter.

Auf unserer Terrasse sonnte sich gestern Nachmittag eine letzte Wespe. Sie hockte auf der obersten Stange des Wäscheständers, bewegte sich träge, ganz anders als ihre hektischen Verwandten, wenn wir im Spätsommer auf der Terrasse saßen. Die Wespe war fast lethargisch, als wüsste sie, dass mit dem Ende des Sommers auch ihre Welt enden würde. Heute früh fand ich sie tot auf dem Fußboden – ich hatte sie am Abend mit dem Wäschetrockner ins Zimmer getragen, ohne sie in der Dämmerung zu bemerken. Ich habe ihren starren Körper in einem Blumentopf zur Ruhe gebettet.

Der Vormittag stand im Zeichen der Gartenarbeit: Der Efeu musste beschnitten werden. Was für eine Metapher: Man darf Grün nicht ungehindert wuchern lassen, sondern muss es regelmäßig zurechtstutzen, da es sonst es eine zerstörerische Kraft entfaltet.
Das Joggen musste heute aussetzen – die Knie sind keine zwanzig mehr. Dafür saß ich auf dem Hometrainer. Ich verfolgte Tilo Jungs Interview mit dem Historiker Götz Aly weiter. Ich schnaufte oft. Nicht wegen der sportlichen Herausforderungen, sondern weil Jung es mit schlafwandlerischer Dilettanz schaffte, jeden spannenden Gedanken nicht nur misszuverstehen, sondern auch mit naivem Haltungseifer zu unterbrechen. Nun ja, auch so etwas sendet eine klare Botschaft.

Die Botschaft unseres Katers: Draußen ist es ungemütlich, drinnen ist es warm: Ideal, um alle viere oder, nimmt man den Schwanz dazu, alle fünfe von sich zu strecken.
