Frank Schott, Leipzig
Eine unserer Katzen hat einen Blick, als hätte sie alle Geheimnisse des Lebens, der Physik und der Mathematik entschlüsselt. Planck, Nietzsche, Schrödinger? Alles pillepalle. Mal schaut der Kater, als hätte er gerade die Weltformel gefunden, und dann … ein Geräusch, ein Geruch, ein Juckreiz im Fell, ist er wieder ein normales Haustier.

Wenn man seinen Job aufgibt und ohne Absicherung hinschmeißt, stellt man sich schnell die Frage, ob man versagt hat. Ob man nicht gut genug war, überfordert, unzureichend. Ich war immer jemand, der sich durchbeißt, der einen anderen Weg findet, wenn er auf Hindernisse stößt. Trotzdem habe ich gekündigt.
Der Chef war betroffen, sicherlich auch menschlich, aber vor allem mit Blick auf die Firma: Wer würde jetzt die ganze Arbeit machen? Eine Kollegin weinte und umarmte mich. In manchen Momenten sei sie nur meinetwegen geblieben, vertraute sie mir an.

Dass sich etwas ändern musste, wusste die ganze Familie, nur ich nicht. Als ich mit der Computer-Tastatur auf meinen Schreibtisch einschlug, mich für meine Unfähigkeit verfluchte und am liebsten alles, wirklich alles, aufgegeben hätte, wurde auch mir bewusst, dass ich mit exzessivem Sport alleine die Lage nicht mehr in den Griff bekäme. Ich war, ich bin, ausgebrannt.

Am Donnerstagabend rief mich ein früherer Kollege an. Er wollte wissen, ob es stimme, dass ich nicht mehr in der Firma sei. Ich bejahte. Er bedankt sich bei mir, weil ich immer für ihn dagewesen sei und mich schützend vor ihn gestellt hätte, wenn der Chef unzufrieden war. Vielleicht ist das mein Fluch: Anderen gegenüber gerecht zu sein und mir selbst gegenüber ungerecht. Und so jogge ich, sitze ich auf dem Hometrainer oder malträtiere das Theraband. Gegen die Selbstzweifel, gegen das Karussell in meinem Kopf.

Heute waren es 14 Kilometer. Ich bin dankbar, dass mein Körper das mitmacht. 14 Kilometer, überwiegend auf Waldwegen und Schotter, nur wenige asphaltierte Stellen. Der Fluss steht still. Der Wind streichelt die Bäume und ermuntert die gelben Blätter, sich von den Zweigen ins modrige Vergessen zu stürzen. Die Eichen werfen mit mit ihren Früchten nach mir. Das ist …
Leben
