Christoph Sanders, Thalheim
Nach nächtlichem Regenband am Freitag etwas kühler. Die Krähen rufen einander (und vielleicht ja auch uns?) ab 6:15 Uhr. Man hört, dass die fernen Straßen noch nass sind – das Reifengeräusch klingt dann anders. Die goldene Herbstsonne kommt heraus. Als das Gras trockener ist, pflücke ich eine kleine Wanne Äpfel, eine kleine Wanne Pflaumen. Kein Befall, keine Maden, aber viel zu viel für uns allein – von den roten Äpfeln hängen bestimmt noch zweitausend am Baum.

Danach Vorbereitungen auf die samstägliche Radtour mit Freunden – alte Männer durchfahren den Spessart. Mein Körper heilt jeden Tag etwas mehr – endlich!!! Prüfstein ist das morgendliche Ausräumen der Spülmaschine. Das brutale Hämatom gibt nun allmählich auf und schrumpft wie eine verdunstende Wolke. Komplett schmerzfrei bin ich noch nicht, muss, da einige Bänder gequetscht und überdehnt wurden, die Schulter nach wie vor ziemlich vorsichtig bewegen.

Die Momox-Beute has arrived: Berhards „Frost“ in der azurfarbenen ST-Ausgabe – bekleckert und voller Kinderzeichnungen: wunderbar! Außerdem dabei: Capotes „Erhörte Gebete“, das 2000er Remaster von Sades „Love deluxe“ sowie Streichtrios von Roussel, Francaix und Poulenc. Fürs erste Einlernen lege ich ein neues Rasierwasser auf. Die Rotschwänze tummeln sich gut getarnt im Ahorn.

Lanz und Precht mit einer treffenden Analyse zur Einwanderung in den letzten zehn Jahren – die fehlende Sprachbildung als Schlüssel für eine gescheiterte Integration. Die bitteren Exempel, die an den arbeitenden Fairplayern der Schattenarmee statuiert werden, weil man diese über ihre Adresse erreicht, während andere abgetaucht sind. Gut auch die Aussagen zu den wackligen Identitätskonzepten der Parteien, internationalistisch vs. nationalkonservativ, „links“ vs. „rechts“. Was ich – als Folge des digitalen Mittelalters – beobachte, ist die Herausbildung neuer Identitäten, die sich aus der Aneignung heidnischer Kulte und religiöser Strömungen speisen. Wenn einem die ökonomische und gesellschaftliche Anpassung nicht gelingt, eröffnet sich da eine reale Möglichkeit zur sozialen Einbindung und Selbstwerterzeugung. Auf meinen Frankreichfahrten sehe ich öfter mal Campingwagendörfer der Manouches und Sinti. Die rasant steigenden Mietpreise könnten diese Lebensform für immer mehr Menschen zur Option machen. Die Parallelwelten werden zunehmen.

Unser Frankreich-Teenie berichtet traurig vom Selbtsmord einer Fünfzehnjährigen an ihrer Schule in Le Mans – das ist das kritische Alter. Der Sohn mit etwas Bammel beim Fußballtraining, mal sehen, wie sein Neuanfang gelingt. Ein kühler Abend mit großen Wolken – morgen ist die Atalantikströmung durch. Spessart-Abfahrt: 8:15 Uhr.
